Bertold Hummel

Musik im Dom zu Würzburg „Auf, laßt uns jubeln dem Herrn“ (Edition Bertold Hummel). 1995. Conventus Musicus CM 103 (97335 Dettelbach).

Bertold Hummel

Bertold Hummels kirchenmusikalisches Schaffen ist geprägt durch altklassische Polyphonie und die Praxis des gregorianischen Chorals. Die Tonalität des 1925 geborenen Musikers ist daher auch eine vom kirchentonalen System abgeleitete Modalität. Stets hat Hummel, dessen 70. Geburtstag ein Querschnitt seiner Werke vorgelegt wurde, die Aufgabenstellung an die Komposition und ihre Realisationsmöglichkeiten berücksichtigt. In der vorliegenden Aufnahme ist daher im besten Sinne liturgische Musik zu hören. Drei Messen, ein Orgelproprium, ebenfalls für die Messe, drei Motetten und ein Orgelsolostück sind zu drei liturgischen Suiten zusammengestellt, die beredtes Zeugnis von der musikalischen Gestalt Würzburger Domliturgie geben.

Erstes Beispiel: ein Pontifikalamt. Zum Einzug (es fehlt nicht einmal das putzige Sakristeiglöckchen) ein Psalm mit Gotteslob-Kehrvers, mechanischer Psalmodie, Orgelbegleitung und Chorcoda. Ein trotz (oder wegen?) seiner „Liturgizität“ dürftiger Einstieg in einen feierlichen Kathedralgottesdienst. Mit dem Orgelproprium „Ad missam“ für zwei Orgeln und der Missa „Cantabo Domino“ steigt das musikalische Niveau spürbar. Das „Proprium“, das neben Halleluja, Offertorium und Communio auch einen Introitus und ein Ite missa est beinhaltet, hat Hummel für die Vierungsorgeln des Salzburger Doms geschrieben. Obwohl auf annähernd gleichstarken Instrumenten besser zu interpretieren, gelingt es Gregor Frede an der großen Orgel Westorgel und Wolfgang Schneider an der Querhausorgel, ein eindrucksvolles Raumerlebnis zu schaffen. Die Komposition zitiert in jedem ihrer Teile ein in den Gemeinden bekanntes Motiv: So das Halleluja aus Gotteslob 530,1, zum Offertorium „Was uns die Erde gutes spendet“, zur Communio „O Jesu, all mein Leben bist du“ und schließlich das Ite missa est aus Gotteslob 409. Die Messe „Cantabo Domino“ entstand für eine Studentengemeinde und fesselt durch die Eindrücklichkeit, die mit einfachen Mitteln erreicht wird. Positiv sei angemerkt, daß die Würzburger Domchöre unter Siegfried Koesler das „Kyrie“ wirklich griechisch als „Kirie“ und nicht erasmianisch oder deutsch-cäcilianisch als „Kürie“ aussprechen. Die deklamatorischen Phasen (besonders beim Credo, das auf einem psalmodieähnlichen Akkordmodell basiert) gelingen aber nicht überall ganz stolperfrei.

Beispiel zwei: Sonntagsmesse. Die Missa brevis für zwei gleiche Stimmen und Orgel ist eine Weiterentwicklung einer unisono-Komposition. Sie wird hier vorgetragen von der Mädchenkantorei mit Wolfgang Schneider an der Hauptorgel, der die Begleitung angenehm und farbig gestaltet. An diesem Beispiel wird deutlich, wie sehr Hummel den praktischen Anforderungen der Kirchenmusiker, die er jahrelang an der Würzburger Musikhochschule mitbegleitet hat, entgegenkommt.

Beispiel drei: Festgottesdienst mit Chor und Bläserensemble. eingeleitet von einem längeren Adagio, das Domorganist Paul Damjakob eingespielt hat und das bei 7 Minuten Dauer schon einen Prozessionsweg vom Ausmaß einer Kathedrale voraussetzt, kommt eine anspruchsvolle Meßkomposition für gemischten Chor und acht Bläser zum Vortrag. Die drei Motetten sind als Eröffnung, Danksagung bzw. Entlassung plaziert und basieren auf Texten der Bibel, der Didache (!) sowie beim Ave Maria der Gebetstradition. Letzteres wäre trotz der Hummelschen Harmonik auch in einem russischen Gottesdienst kein Fremdkörper.

Im leider etwas unübersichtlichen Beiheft, das den Würzburger Dommusik-Ensembles unangemessen breiten Raum widmet, vermißt man Bezugsquellen für die Notenausgaben. Dennoch ist die CD ein schönes Weihnachtsgeschenk für engagierte Kirchenmusiker und Chorsänger.


publiziert in:
Deutsche Tagespost 16.11.1996