Orgelführer

Karl-Heinz Göttert / Eckhard Isenberg: Orgelführer Deutschland, Kassel: Bärenreiter, 265 S., 82 farb. Abb., ISBN 3-7618-1347-3, 48,00 DM.

Orgelführer Deutschland

Orgeln sind wie Königinnen: Einzelstücke mit intensiven verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihren Kolleginnen, auch früherer Jahrhunderte. Sosehr auch jede Orgel gewissen Grundprinzipien gehorcht – wer wollte schon ständig das Rad neu (und besser) erfinden – sosehr ist jedes Instrument unverwechselbar und einmalig.

Diese Vielfalt allein in Deutschland vorzustellen, sind die beiden Autoren angetreten. Karl-Heinz Göttert, der nach eigenem Bekunden besser schreiben als orgelspielen kann, und Eckhard Isenberg, mit umgekehrten Talenten, haben aus Tausenden von Instrumenten in Deutschland eine Auswahl erstellt. Notgedrungen subjektiv überzeugt diese jedoch durch eine große Bandbreite. Alte und neue, große und kleine, bedeutende und unbekannte, klassische und kuriose Orgeln werden in fast siebzig Einzelportraits vorgestellt. Aus einzelnen sehr unterhaltsam geschriebenen Episoden wächst so das Bild der Geschichte des Orgelbaus: von den Anfängen in der Renaissance über den barocken Höhenflug, deutsche und importierte Romantik bis hin zu neueren Experimenten. Ganz nebenbei erfährt man dabei etwas über viele Detailfragen des Orgelbaus, beispielsweise die Bleilegierungen für die Pfeifen, die Windladensysteme oder die Stimmungsprobleme. Mit Göttert und Isenberg entdeckt man den Baß-„Subwoofer“ in St. Ludgeri zu Norden und das tönende Raumschiff in St. Lamberti zu Münster, man hört von Mäusen und Schwalbennestern sowie von den Silbermännern aller deutschen Länder, man fordert Kilometergeld für den Freiburger Münsterorganisten und begreift schließlich, daß es Orgeln zum Katholischwerden gibt.

Zu jedem Orgelportrait gehört auch eine Abbildung, die wegen fehlender Legenden leider zuweilen nur mühsam zugeordnet werden kann. Bei der Beschaffung der Abbildungen hätte sich der Verlag etwas mehr Mühe machen dürfen; sie sind von ausgesprochen unterschiedlicher Qualität. Selbstverständlich finden sich sämtliche Dispositionen der besprochenen Orgeln im Anhang, dem es allerdings spürbar an Übersichtlichkeit mangelt. Allgemein wirkt der Satz etwas unausgewogen und die Textzeilen sind für die gewählte Schrift zu lang geraten.

Das Lesevergnügen macht diese Defizite aber durchaus wieder wett. Insgesamt ist der Orgelführer Deutschland ein schwungvolles Buch, das man in die Hand vieler Orgelfreunde wünscht, gerade derer, die sich nicht zu den technisch versierten Insidern zählen.


publiziert in:
Deutsche Tagespost