Orgeltranskriptionen

F. Liszt: Sonate h-Moll, I. Stravinsky: Le Sacre du Printemps. Bernhard Haas, Orgel. Fer 20009. Fermate Musikproduktion, Friedenstal 8, 32756 Detmold.

Liszt Stravinsky

Die Orgel ist ein Orchester. Diese Orgel ist ein Orchester. Nicht umsonst wählen Organisten immer wieder das 1988 erbaute Instrument der Tonhalle Zürich für die Aufnahme von farbigen Transkriptionen.

Orchesterwerke für Klavier zu bearbeiten, sogenannte Klavierauszüge zu erstellen, war immer schon üblich. Auch der Übertragung auf die Orgel begegnet mein bei Bach und Liszt. Die Orgel steht, was Farbenreichtum und dynamische Möglichkeiten einerseits und spontane Möglichkeiten andererseits angeht, zwischen Klavier und Orchester.

Folgerichtig bewegt sich die Orgelbearbeitung von Bernhard Haas beim Sacre du Printemps auch zwischen der Orchesterversion und der Fassung für Klavier zu vier Händen aus der Feder Stravinskys selbst. Auf der Orgel ergeben sich überraschende perkussive Effekte und dynamische Dimensionen durch den raschen Wechsel zwischen den vier Manualen. Bei der Übertragung der Lisztschen Klaviersonate stand die Umsetzung der bereits im Klaviersatz angedeuteten Instrumentierung im Vordergrund.

Für sich genommen liegt hier eine großartige Aufnahme vor: interessantes Repertoire, glänzend und virtuos gespielt. Bei aller Farbigkeit, die Bernhard Haas (Jahrgang 1964) dem großartigen Instrument zu entlocken vermag, steht er doch hinter seinem Lehrer Jean Guillou zurück, der ebenfalls jüngst eine CD mit Stravinsky eingespielt hat, die dokumentiert, daß er wohl wie kein anderer eins zu werden versteht mit dieser Orgel, die er selbst disponiert hat. Gleichwohl ist dieser gelungenen Aufnahme aus dem ambitionierten Haus „Fermate“ große Akzeptanz zu wünschen.


publiziert in:
Deutsche Tagespost 7.6.1997