Osterkantaten

Johann Sebastian Bach. Osteroratorium. Philippe Herreweghe. HMC 901513 harmonia mundi.

Bach Osteroratorium

Die Kantate 249 „Kommt, eilet und laufet“ ist eines der drei Werke, die Bach als „Oratorium“ bezeichnet. sie wird eröffnet durch zwei festliche Instrumentalsätze, die wie der anschließende Chorsatz wohl aus einem der zahlreichen Konzerte aus der Hand des Komponisten stammen. Überhaupt liegt der gesamten Kantate eine weltliche Komposition zugrunde. Der geistliche Text – er stammt vermutlich von Bachs Librettisten Picander – nähert sich den Evangelium von der Erstverkündigung der Auferstehung, der Osterperikope, in der sich noch heute lutherische und römische Leseordnung begegnen.

Auch die Kantate 66 „Erfreut euch, ihr Herzen“ hat ein weltliches Vorbild – eine Glückwunschkantate für das anhaltinische Fürstenhaus – und wurde noch im gleichen Jahr für das Osterfest adaptiert und in Leipzig am 10. 4. 1724 erstmals aufgeführt. Der geistliche Text bezieht sich auf die Emmaus-Perikope. Bach greift zur Ausdeutung des Zweifels der Jünger zum Stilmittel des Dialogs zwischen „Hoffnung“ und „Furcht“ (so die Stimmbezeichnungen der Partitur). Die Choralzeile „Des solln wir alle froh sein, Christus will unser Trost sein“, schließt die Festmusik mit dem Bekenntnis der Zuversicht.

Herreweghes Einspielung läßt kaum einen Wunsch offen. Mit Barbara Schlick (Sopran), James Taylor (Tenor) und Peter Kooy (Baß) hat er in Barockmusik erfahrene Solisten gewonnen. Einzig die Besetzung der Alt-Partie mit dem Countertenor Kai Wessel – musikalisch ebenfalls ein Glücksfall – führt zu kleinen inhaltlichen Spannungen: Beklagt sich doch beispielsweise Maria Magdalena mit seiner Stimme über „kalter Männer Sinn“ beklagt, der sich ihrem Zeugnis verschließt. Doch ergibt sich klanglich ein ausgewogenes Bild, in das sich das Orchester mit undogmatischer Annäherung an ein historischen Ensembleklang einbringt. Und das Collegium Vocale Gent hat Philippe Herreweghe zu einem der profiliertesten Barockchöre unserer Zeit entwickelt. Die Aufnahme, die auch aus der Sicht der Technik und der Dokumentation perfekt ist, kann uneingeschränkt empfohlen werden.


publiziert in:
Deutsche Tagespost 15.3.1997