Rimski-Korsakov sakral

N. Rimski-Korsakov: Gesamtausgabe der geistlichen Kompositionen. Ensemble „Blagovest“ Moskau, Galina Kolzowa. Cantica Musikproduktion 03013/2CQ „Musik der Ostkirchen“ (Doppel-CD).

Rimski-Korsakov

Seit dem Fall des „eisernen Vorhangs“ läßt sich ein verstärktes Interesse an russischer geistlicher Musik beobachten. Etliche Labels drängen mit Aufnahmen liturgischer Musik auf den Markt. Mit der wohl ambitioniertesten Reihe dieser Art – immerhin sollen in der nächsten Zeit fünfzig Einspielungen vorgelegt werden – will die „Cantica-Musikproduktion“ diese weitgehend noch unbekannte Welt erschließen. Die Aufnahme sämtlicher geistlicher Werke von Nikolai Rimski-Korsakov, des neben Rachmaninov wohl bekanntesten russischen Kirchenkomponisten ist eines der ersten in der Reihe „Musik der Ostkirchen“ vorliegenden Alben.

Rimski-Korsakov schafft eine traditionsgebundene Musik, der man aber die Formkraft eines großen Komponisten anmerkt. Auffällig sind die kontrapunktisch und unisono geführten Stellen innerhalb der an sich homophonen Musik der russischen Kirche. Rimski-Korsakov schafft Stimmungen und deutet den Text aus (was leider für den des Kirchenslawischen nicht mächtigen Hörer verborgen bleibt, da die Texte im Beiheft fehlen). Hinzu kommt eine große Farbigkeit des Chorsatzes und eine insgesamt ausgesprochen suggestive Wirkung.

Das Ensemble Blagovest beeindruckt durch Professionalität und durch langjährige Praxis erworbene „Authentizität“ und dokumentiert den momentanen Stand russischer liturgischer Chorkultur aufs Vorbildlichste. Der satte Chorklang, weiche Dynamikübergänge und gelungene Phrasenverbindungen (das sonst leider oft und auch bei guten Chören zu beobachtende „Wegreißen“ der Phrasenendtöne fehlt hier wohltuend) machen die Qualität dieser Interpretation aus. Hierfür steht Galina Kolzowa, die viele Jahre Chorleiterin an der „Erzengel Nikolaus Kathedrale“ (so das Beiheft) war.

Sind solche Schwächen zwar nicht kennzeichnend für das Beiheft, vermißt man dennoch neben den Texten auch Angaben zur liturgischen Stellung der Kompositionen. Für eine so breit angelegte Dokumentationsreihe erscheint dies unerläßlich. Auch sind die Schnitte und der (künstliche) Hall nicht vollständig über alle Kritik erhaben.


publiziert in:
Deutsche Tagespost 19.1.1999