Vater und Sohn Rose, haben im letzten Jahrzehnt häufiger die Mönchsrepublik im Norden Griechenlands besucht und einige ihrer „Erlebnisse, Beobachtungen und Gedanken rund um den Athos“ – so der Titel, dessen erster Teil leider unverständlich bleibt – in 26 Kapiteln aufgezeichnet. Teilweise in Form von Kurzgeschichten, teilweise im Stil thematischer Reflexionen reihen sich die Abschnitte aneinander. Gerade denen, die schon eine Reise in dieses „noch ganz byzantinisch geprägte Reich“ (Vorwort) unternommen haben, werden an viele ihrer eigenen Erlebnisse um den Athos erinnert werden. Sei es die fast vierzigstündige Zugfahrt nach Thessaloniki zwischen dem gigantischen Gepäck der heimwärts reisenden Gastarbeiter, sei es die Busfahrt nach Ouranopolis und die ganz besondere von Daphni nach Karyes, seien es missionarische Gespräche, die den „irrgläubigen“ Katholiken oder Protestanten vom rechten orthodoxen Glauben überzeugen wollen, seien es die Mahlzeiten mit, neben oder nach den Mönchen. Betrachtungen über Ökumene, (Kirchen-)politik und die Vergänglichkeit des Menschen ergänzen das abwechselungsreiche Bild.
Auch kritische Fragen werden gestellt: Sind all die „Forst-“straßen, die seit 1963 und vor allem in den letzten Jahren in rücksichtsloser Trassierung entstehen, nicht eine Gefahr für den Lebensrhythmus des heiligen Berges? Ist die flächendeckende Ausbeutung des bis vor kurzem noch jahrhundertealten Waldbestandes nicht eine Gefahr für das ökologische Gleichgewicht der Halbinsel? Ist die Angst der Mönchsregierung oder der Griechen allgemein vor äußerer Einmischung der Grund für die zunehmende Hellenisierung des Berges, der als ein Ort der Gesamtorthdodoxie, der er in seiner tausendjährigen Geschichte immer war, Vorbild für die Völkerverständigung sein könnte? Ein abschließendes Kapitel „Als VIP auf dem Heiligen Berg“ zeigt die Relevanz, die auch von Seiten der EU dem Athos zugemessen wird.
Der aufgesplitterte Erzählzusammenhang, so lebendig er auch wirkt, wendet sich mehr an einen „Kenner“, verlangt er doch vom Leser etliches an geographischer und historischer Kenntnis. Eben diesem Athospilger werden aber im Erfahrungsspektrum der Roses die religiösen Eindrücke zu kurz kommen. Bis zur Mitte des Buches (S. 88f) muß man warten, bis man auf gerade mal einer Druckseite etwas über das liturgische Leben der Mönche hört. Selbst dann bleibt die Schilderung an äußeren Gegebenheiten, dem Dunkel, den Ikonen, den Ampeln, dem Zierrat stehen. Dingen, die gleichwohl bei der ersten Begegnung in den Bann ziehen, aber nur die Oberfläche berühren, unter der unverstanden der Glaube lebt. Auch der Abschnitt über das Jesusgebet kann den Eindruck nicht vertreiben, primäres Ziel der beiden Reisenden sei das Erleben paradiesischer Natur, die mit einem Schuß Byzanz besonders reizvoll wird. Oder erschien etwa das Wagnis, geistliche Erfahrung von den Tagebuchseiten in das Büchlein zu überführen, zu groß?
Besonders zu empfehlen ist das Bändchen daher vor allem für die, die die Defizite der Schilderung und fehlerhafte Information (z.B. über das Glockenläuten, S. 114) durch eigene Erfahrungen auszugleichen bzw. zu korrigieren verstehen: für wirkliche Athospilger. Diese können sich in den höchst persönlichen Episoden, denen die lebendige, manchmal sympathisch saloppe Schilderung durchaus angemessen ist, hervorragend wiederfinden. Das Lesen – besser: schmökern – macht Freude und weckt Erinnerungen, zu denen auch die 12 Schwarzweißfotos von Vater und Sohn beitragen.
publiziert in:
Der christliche Osten 50 (4/1995) 223