Chrysostomusliturgie griechisch

Die göttliche Liturgie des St. Johannes Chrysostomos. The Greek Byzantine Choir, Lycourgos Angelopoulos. Opus 111 OPS 30-78.

Chrysostomusliturgie

Das würdigste Musikinstrument für die Feier des Gottesdienstes hat sich Gott selbst geschaffen: die menschliche Stimme. Byzantinische Kirchenmusik ist daher auch stets primär gesungener Text und wesentlich einstimmig. Alle Mehrstimmigkeit geht auf spätere westliche Einflüsse zurück, von der man sich mittlerweile wieder weitgehend befreit hat. Einzig der sogenannte Ison, ein lang gehaltener, gleichförmiger Baßton (Bordun), der von einigen Sängern gehalten wird, bildet das harmonische Fundament für die reichen Melodien mit den vielen Melismen und den für uns so ungewohnten und diffizilen Intervallen.

Lycourgos Angelopoulos hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit seinem 1977 gegründeten griechisch-byzantinischen Chor zu den Ursprüngen griechischer liturgischer Musik zurückzukehren, die im 5. Jahrhundert in den kirchlichen Zentren Konstantinopel, Jerusalem, Antiochien und Alexandrien zu suchen sind. Dabei waren die Hymnographen immer sowohl Dichter als auch Komponisten. Der bekannteste unter ihnen ist wohl Romanos (5./6. Jh.), dem als Autor vieler auch heute noch gebräuchlicher Hymnen der Beiname „der Melode“ zukam. Bis ins 12. Jahrhundert hinein schufen die großen Dichter-Komponisten einen Großteil des Reichtums byzantinischer Hymnik. Die Musik war zu dieser Zeit vorwiegend syllabisch. In den folgenden Jahrhunderten bis zum Fall Konstantinopels entstanden dagegen hochmelismatische Gesänge, für die Musiker wie Johannes Koukouzelis verantwortlich zeichnen, die sich der traditionellen Texte bedienten. Obwohl die meisten Melodien auf der CD nicht älter sind als 200 Jahre (nur ein Kommuniongesang aus der Feder von Koukouzelis entstammt einer Sinai-Handschrift von 1309) erwecken sie den typischen archaischen Eindruck griechischer Kirchenmusik, da die Protopsalten (Chorleiter) stets verstanden, sich der traditionellen Mittel zu bedienen. Welche Rolle immer noch auch die mündliche Überlieferung spielt, belegen Gesänge, die anhand von auswendig vorgetragenen Weisen der Athosklöster niedergeschrieben wurden.

Der für griechische Verhältnisse große Männerchor von über 20 Personen gefällt durch einen ausgewogenen, satten Klang und wirkt auch in der Höhe nicht schreiend. Es handelt sich um eine mustergültige Aufnahme einer griechischen Liturgie (Messe), wie sie vollendeter und authentischer wohl nicht – weder auf CD noch in einer griechischen Kirche – zu hören sein wird.


publiziert in:
Der Christliche Osten 55 (2000) 153