In Venedig, Karthago und Syrien liegen die Wurzeln des Canto Flamenco. Dazu treten noch Elemente des gregorianischen Chorals. Doch nirgendwo anders hat sich eine vergleichbare Musik entwickelt wie in den Dörfern Andalusiens. Der Flamenco spiegelt den Schmerz und die Armut jener Region und Epoche, er ist untrennbar mit Schweiß und Alkohol verbunden, prägte die Arbeit, die Familienabende und Feste. In den „cafes cantandes“ erklangen die Gesänge ebenso wie auf den großen andalusischen Karfreitagsprozessionen. Es ist die klagende Stimme, ihre enorme, schier akrobatische Kunstfertigkeit, begleitet von Gitarre, Trommeln und Händeklatschen, einer Flöte oder Geige vielleicht, die den klassischen Flamenco so unverwechselbar machen.
Die vorliegende Aufnahme präsentiert keine herkömmliche Flamenco-Folklore. Diese Musik ist gewöhnungsbedürftig. Hat man aber erst einmal die anfängliche Fremdheit überwunden, bestechen die klaren, unverbildeten Stimmen der Sänger, in denen noch die große Tradition der „cafes cantandes“ lebendig ist. Wo allabendlich die Menschen beisammen waren, griff immer wieder jemand zur Gitarre oder sang unbegleitet einen canto flamenco. Es erschließt sich in diesen Gesängen eine Eindringlichkeit und Echtheit, die wenig mit historischer Authentizität zu tun hat. Marienverehrung aus dem Herzen der Leidgeprüften ist hier zu hören. Im Flamenco geben sie ihrer Hoffnung auf die Mutter der Gnade Ausdruck.
Bedauerlich nur, daß das Beiheft die tiefsinnigen Texte ausschließlich in Spanisch enthält.
Originalbeitrag