Katechese ist der Tod der Liturgie. Liturgiekatechese aber ist unabdingbar. Ein Gottesdienst will die Menschen mit „der Erfahrung des Heils beschenken“ und nicht über die Heilsgeschichte informieren, er will mit dem Geheimnis Gottes in Kontakt bringen und nichts erklären – weder sich selbst noch andere Glaubenswahrheiten. Daher kann die Unterweisung im Glauben ihren Ort nicht innerhalb der Liturgie haben, sondern davor als katechetische Hinführung oder danach als mystagogische Vertiefung.
Diesen Ansatz der Mystagogie verfolgt der auf sechs Teile konzipierte „Grundkurs Liturgie“, der derzeit von den beiden jungen Liturgiewissenschaftlern Martin Stuflesser und Stefan Winter bei Pustet in Regensburg erscheint. Neben den drei erschienenen Bänden sind die Themen „Taufgedächtnis, Umkehr und Versöhnung“, „Liturgische Dienste“ und „Segen“ geplant. Andere Themen – wie beispielsweise das Stundengebet trotz zunehmender Aktualität, auch auf dem Hintergrund von Wort-Gottes-Feiern – bleiben bedauerlicherweise unberücksichtigt.
Die Reihe beginnt verheißungsvoll. Ausgehend von der wohl eindrucksvollsten Dichtung, die die römische Liturgie hervorgebracht hat – dem Exsultet – erläutern die Autoren die dialogische Grundstruktur der Liturgie. Texte aus dem Meßbuch, der Bibel, der Didache, der Traditio Apostolica, der (frühen) Kirchenväter und des 2. Vaticanums werden zitiert und beleuchten sich gegenseitig. Daß dabei neben zentralen Texten wie dem Exsultet oder dem Meßkanon auch Orationen herangezogen und typologisch gedeutet werden, zeugt von der Ernsthaftigkeit des Unternehmens, bei (den Texten) der erlebeten Feier anzusetzen und in diese tiefer einzuführen.
Löblich ist ferner, daß sich die Autoren einen ganzen Band lang der Frage widmen, was Liturgie überhaupt sei und hierfür nach ganz grundsätzliche Antworten in Humanwissenschaften und Theologie suchen. Eine Grundlegung, die beim Blick auf praktische Probleme des Gottesdienstes oft unterbleibt. Breiten Raum nimmt in diesem ersten wie in den Folgebänden die biblische Grundlegung und die Liturgiegeschichte ein. Vielleicht ist es dem Zeitgeschmack zuzurechnen, daß auf die exemplarische Vorstellung der ersten fünf Jahrhunderte gleich das 2. Vaticanum folgt, so als wenn die 1500 Jahre dazwischen entweder nichts Nennenswertes oder aber nur Fehlentwicklungen hervorgebracht hätten. Viele Riten erschließen sich tatsächlich jedoch nur auf der Folie des höfischen Zeremoniells, der wechselseitigen Beeinflussungen verschiedener regionaler Liturgiefamilien sowie der kultischen Relecture des Alten Testaments. Wem das alles zu kompliziert erscheint, der wird auch über den ausführlichen Vergleich zwischen jüdischen Mahl- und Pessach-Riten einerseits und christlichen Agape- und Eucharistiefeiern im dritten Band hinwegblättern.
Und hier liegt wohl der Hauptkritikpunkt, den man an die Reihe anlegen kann: Das Ansetzen beim Zentralen ist richtig und wichtig. Für einen „Grundkurs Liturgie“ gerade unter mystagogischer Perspektive greift es jedoch zu kurz. Wer den „Genotyp“ des zu feiernden Geheimnisses verstanden hat, dem hat sich noch lange nicht sein „Phänotyp“ erschlossen. Um „liturgischem Wildwuchs“ (Vorw. Bd.1) vorzubeugen, genügt es gerade nicht, theologische Grundfragen zu klären. Stattdessen müssen diese Inhalte auch in ihrer jeweiligen liturgischen Form lebendig und verständlich werden.
Wer einen Grundkurs Theologie sucht, der – treu seinem mystagogischen Ansatz – von den Mysterien des Glaubens ausgeht und sie im Rückgriff auf verschiedene Texte aus der Frühzeit des Christentums deutet, ist mit der Reihe von Stuflesser und Winter gut beraten. Ein Desiderat bleibt weiterhin ein aktueller Grundkurs Liturgie, der über das zentrale Sakramentsverständnis hinaus auch einzelne Elemente aus der zweitausendjährigen Ritengeschichte betrachtet, ihre Struktur und Herkunft erschließt, sie dem großen Ganzen zuordnet und sie spirituell fruchtbar macht.
publiziert in:
Katechetische Blätter