Hiob

Petr Eben: Hiob. Andreas Kempin an der Orgel der Basilika St. Ludgerus Essen-Werden. Rezitation: Propst Dr. Heinrich Engel. Melisma Musikproduktion Wiesbaden Opus 7087-2.

Petr Eben Hiob

Obwohl seine großen Orgelwerke bereits in den sechziger und siebziger Jahren entstanden, ist der tschechische Komponist Petr Eben (*1929) hierzulande erst in den Jahren nach der Öffnung des eisernen Vorhanges einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden. In „Hiob“ setzt sich der Komponist nach den „Faust-Szenen“ für Orgel ein weiteres Mal mit der Thematik einer Wette Satans mit Gott um eine Menschenseele auseinander.

In acht Sätzen werden die Schicksalsschläge, die Glaubenstreue und die Verzweiflung bis hin zum Lohn thematisiert. Hiobs Rechtfertigung ist im hebräischen Bibeltext wohl eine Zufügung; auch ohne ein „Happy-End“ wäre das Buch Hiob ein unvergleichliches Lehrstück: Gott erwartet, das Leid zu akzeptieren, nicht, ihm dafür zu danken. Eben kommt es augenscheinlich auch weniger auf die äußere Handlung, denn auf innere Zustände wie Leidensannahme oder Todessehnsucht an. „Hiob“ ist daher Programmusik im besten Sinne.

Der Komponist – seine Einführung zum Werk ist im Beiheft abgedruckt – stellt jedem Satz einen Bibelvers voran, der die Thematik umreißt. Sie wird in reicher Motivik, vielen Anspielungen an gregorianische Themen und solchen der protestantischen Choraltradition, aber auch in der Formensprache abgebildet: Das Schicksalsmotiv Hiobs in tiefen Zungenstimmen, ein verhaltener Lobpreis kombiniert das österliche Exsultet mit dem Gloria, die Leidensannahme wird durch eine Choralvariation über „Wer nur den lieben Gott läßt walten“ verdeutlicht, das niederdrückende Leid in Form einer immer aggressiver werdenden Passacaglia, gewaltige Akkordmassen symbolisieren die Schicksalsschläge, das Zitat des Hymnus „Veni creator“ Hiobs Einsicht und Umkehr. Die christologische Perspektive kommt im letzten Satz in den Blick: ein Lied der Böhmischen Brüder nennt den Herrn „demutsvolles Vorbild“ im Leid.

Dem engagierten und packenden Spiel Kempins kommt der Farbenreichtum „seiner“ Klais-Orgel (1983, III/52) in der Essener Basilika St. Ludgerus gut zupaß. Die ausführliche Disposition im Beiheft ist vorbildlich. Auch die Interpretation läßt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Die Musik gleitet nirgendwo ins Verschwommene ab, Durchsichtigkeit und Plastizität zeichnen das Klangbild aus. Auch wenn von Eben wahrscheinlich nicht so gedacht, brächte die Interpretation des Werkes auf einer „romantischeren“ Orgel sicher neue Einsichten. Der Raumklang ist gut und mit vernünftigem Mittelmaß an Nachhall eingefangen.

Dagegen wirken die Bibel-Rezitation durch Propst Dr. Heinrich Engel akustisch wie gestalterisch viel zu trocken. Nicht zuletzt die Benutzung der Einheitsübersetzung der Bibel, worüber jedwede Angabe fehlt, war kein Glücksgriff. Vielleicht hätte sich für einen künstlerischen Akzent Bubers geniale Nachdichtung empfohlen. Die Frage, warum man neben den hilfreichen Deutungen des Komponisten noch Bibeltexte in der Manier von Live-Konzerten aufnehmen muß (immerhin 10 von 54 Minuten Gesamtspielzeit) sei dahingestellt.

„Hiob“ mit ist ein geistliches Werk, das durch seinen Textbezug Zugang zu neuer Musik auf der Orgel zu eröffnen vermag. Mit der Einspielung durch Andreas Kempin hat die Wiesbadener Melisma-Musikproduktion eine beachtenswerte Aufnahme vorgelegt.


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