Ikonen

Peter Mikliss de Dolega: Ikone und Mysterium. Die geistliche Botschaft der Bilder, Köln: Verlag Freundeskreis St. Pantaleon 1996, 216 S., zahlreiche Farbabb., ISBN 3-9805197-0-8, 49,00 DM.

Ikone und Mysterium

Die frühromanische Basilika St. Pantaleon in Köln geht auf eine Stiftung der Kaiserin Theophanu zurück, der aus Byzanz stammenden Gattin Ottos des Großen. Seit 1991 – 1000 Jahre nach Theophanus Tod – finden in dieser Kirche alljährlich Ikonenausstellungen statt. Im Osten werden noch heute beispielsweise die Geburt Jesu, seine Himmelfahrt oder die Jordantaufe so dargestellt wie spätestens im 6. Jh., die formgebenden Traditionen wurden also gewissermaßen kodifiziert. Demgegenüber ist das Abendland seit dem unseligen Schisma von 1054 eigene Wege gegangen und hat bis zur Auflösung des Bildgegenstandes dem Invidualismus des Künstlers Raum gegeben. Die Ausstellungen in St. Pantaleon und auch das daraus entstandene Buch Dolegas verstehen sich daher als ein Begegnungsfeld von Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen.

Die Beschäftigung mit Ikonen bringt den westlichen Menschen in Verbindung mit den Ursprüngen seines christlichen Glaubens und führt in Wahrheiten ein, die in unseren Gottesdiensten kaum noch zur Sprache kommen. Unabdingbar für ein solches Suchen nach den Quellen der eigenen Tradition ist aber ein tiefes Verständnis für die Sprache der Bilder: der biblischen und apokryphen Berichte, der Heiligenlegenden und keinesfalls zuletzt der Liturgie der Ostkirche. Dolega versucht die geistliche Botschaft der Bilder zu entschlüsseln. Es ist daher keine theoretische ikonographische Abhandlung, die den Gegenstand der Beschäftigung zum rationalistischen Objekt degradiert. Es ist aber auch keine wortreiche Betrachtung, die eine bloß andächtige Stimmung erzeugt. Vielmehr schafft es eine gelungene Synthese zwischen beiden.

Entsprechend dem Duktus der Jahresausstellungen werden nach einer allgemeinen Einführung Christusikonen und Festtagsikonen („Stationen des Heils“) vorgestellt. Es folgen Gottesmutterikonen und exemplarische Beispiele aus Mönchs- und Heiligenikonographie. Charakteristisch für die Erschließung ist, daß der Betrachter sich nicht einer Flut von Bildern ausgesetzt sieht, sondern nur jeweils eine Ikone eines Typs großformatig abgebildet wird. Es handelt sich dabei um Ikonen des 16.–19. Jh. aus Privatbesitz, die sicher wertvoll, doch oftmals schon so undeutlich sind, daß man sich das Buch unabhängig vom Anlaß seiner Entstehung mit zeitgenössischen Ikonen gewünscht hätte, die seinem Zweck eher entgegenkämen. Dolega erhellt viele Details aufgrund der vielfältigen Schriftbezüge, die die Themen entsprechend patristischer Exegese mitbringen. Ausführlich werden einschlägige liturgische Texte der Ostkirche zitiert, deren lebendige Kenntnis seit Generationen die Gestalt der Ikonen formt. Auch durch Bezüge zu Kunstwerken im Kölner Raum und zur römischen Liturgie stellt der Autor immer wieder die Verbnundenheit der getrennten Christen vor Augen. Durch eine solche theologische Erschließung, die in leicht zugänglicher Sprache verfaßt ist, werden Ikonen spirituell fruchbar und sind nicht nur trendgemäßer Zierrat. Das Buch hat Verkündigungscharakter in unserer Zeit, in der Kirche und Kunst einen schwierigen Kampf ausfechten. Der Osten hat sich dabei für Konstanz entschieden, während im Westen das Überkommene in immer neuen Formen gesucht und neu vermittelt werden will.


publiziert in:
Deutsche Tagespost 27.12.1997