Konzertorgel

Modest Mussorgskij: Bilder einer Ausstellung. Winfried Böning an der Jann-Orgel im Konzerthaus „Sinfonie an der Regnitz“, Bamberg. Ambitus 97 910 (Rotkreuzstr. 14, 86919 Utting). 1994.

Mussorgsky Bönig

Erst Ravels Orchestrierung verhalf Mussorgskijs Klavierzyklus zu seiner Bedeutung. Unzählige Bearbeitungen entstanden seither, darunter auch etliche Orgelfassungen, die in Konzert und Aufnahmen zu hören sind.
Der gebürtige Bamberger Winfried Böning, Jahrgang 1959, macht sich den romantisch-orchestralen Farbenreichtum der neuen Jann-Orgel (1993, IV/74) der „Sinfonie an der Regnitz“ zunutze und verrät subtiles Eingehen auf die Orgel als Konzertinstrument. Es begegnen daher Registermischungen, die in genuiner Orgelliteratur schon als anarchisch zu gelten haben. So bietet sich der alte Holzkarren in „Bydlo“ mit machtvollem Crescendi und Decrescendo dar. Die Promenaden glänzen im warmen Zungenplenum oder werden analog zur klassischen Cantus-Firmus-Technik gegen schwebende Flötenchöre gesetzt. Das „Ballet der Küchlein in ihren Eierschalen“ ist reizvoll registriert, aber leider etwas zu akademisch im Fluß. Im „Gnom“ ertönen die Bombarden in tiefer Lage, in „Samuel Goldenberg und Schmuyle“ vermag man sie im Raum regelrecht zu lokalisieren. Gegen das Plenum der Orgel wirken sie schnarrend im grotesken Tanz der Baba Yaga, der bei zupackenderem Tempo an Wildheit noch gewonnen hätte. Wie ein feierlicher Choral schließt „Das große Tor von Kiew“, rondoartig unterbrochen vom figurierten Promenaden-Thema, den Zyklus ab.
Nach 40 Minuten Mussorgskij schließen sich noch die „Variationen über ein Thema von Händel, op.29“ an, die Arno Landmann im Jahre 1935 komponiert hat. Während die formalen Bauprinzipien eher als klassisch zu bezeichnen sind, beeindruckt das selten gehörte Stück, das auf der berühmten Sarabande des Hallenser Komponisten aufbaut, mehr durch reiche Harmonik. Im Beiheft schreibt der Organist über die eingespielten Werke. Darüber hinaus finden sich Angaben zum Interpreten und die vollständige Disposition des Instruments.


publiziert in:
Deutsche Tagespost 6.4.1996