Typographie

Hans Peter Willberg, Friedrich Forssmann: Erste Hilfe in Typographie. Ratgeber für Gestaltung mit Schrift, Mainz: Hermann Schmidt 1999, 104 S., ISBN 3-87439-474-3, 24,00 DM.

Erste Hilfe Typographie

Typographie ist heute nicht mehr nur Profis vorbehalten. Jeder, der einen Computer hat, gestaltet mit Schrift – mehr oder weniger bewußt, mehr oder weniger gut. Doch die Form einer Botschaft ist Bestandteil dieser Botschaft. Daher ist „Erste Hilfe in Typographie“ dringend geboten.

Willberg und Forssmann, deren theoretische und praktische Beiträge zu Design und Typographie über die Fachwelt hinaus große Beachtung erlangten, gehen stets von konkreten Beispielen aus. Die Leser werden dadurch behutsam mit zunehmender Kritikfähigkeit ausgerüstet, was selbstverständlich die eigene Arbeit prägen wird. Hierin liegt wohl der wichtigste Ansatzpunkt typographischer Erziehung im Computerzeitalter. Durch die Demokratisierung der Technik und die damit verbundene unreflektierte Übertragung der Regeln für das Maschineschreiben auf komplexe Textverarbeitungs- und Layoutsoftware entstehen eine Vielzahl unansehlicher Publikationen, an deren Erscheinungsbild die Meisten sich aber bereits gewöhnt haben. Sensibilisierung tut hier zuallererst Not! Dies leisten Willberg und Forssmann durch die ausgewählten Beispiele und die beigegebenen Kommentare ganz hervorragend. Dabei berücksichtigen sie etwa Lesbarkeit von Schriften, Wort- und Zeilenabstände, Auszeichnungen, Ziffern und Zahlen, Briefgestaltung, Bilder und Grafiken oder Schrift auf dem Bildschirm, aber auch Typographie für Kinder und ein „Gruselkabinett“ gehören zu den Themen, die leicht verständlich und manchmal gar vergnüglich dargeboten werden. Besonders hervorzuheben sind die Schrift- und Bilddruckproben auf vier verschiedenen Papierqualitäten. Eine Vergleichsmöglichkeit, die sich dem Laien sonst nicht bietet.

Die beispielorientierte „Erste Hilfe“ will sich andererseits nicht als systematisches Lehrbuch verstanden wissen. Wer sich bis zur Hälfte vorgearbeitet hat und in einem Suchbild die „beliebtesten typographischen Fehler“ zu finden versucht, wird wohl noch die Auflösung bemühen müssen, um zu verstehen, was Orthotypographie wirklich ist. Das mag auch daran liegen, daß die Kommentare zu den Beispielen den eigentlichen Fehler oft nicht klar genug benennen; so hat sich sicher die Mehrzahl der Zeitgenossen bereits an ein „ß“ zwischen Veralien („FITNEßSTUDIO“) gewöhnt.

Wer nicht nur einigermaßen brauchbaren, sondern wirklich guten Satz machen will dem empfehlen die Autoren selbst weiterführende Studien. Doch wäre schon viel gewonnen, wenn wir Computernutzer uns wenigstens „Erste Hilfe“ in Typographie leisten ließen. Ein Leitfaden, der neben keinem Computer fehlen sollte.


publiziert in:
Deutsche Tagespost