Das „Allgemeine Gebet“ der Gläubigen ist nach dem Wunsch des Konzils (SC 53) vor fast fünfzig Jahren wieder belebt worden. Im Lauf der Liturgiegeschichte hatte es zuvor bereits verschiedene Formen angenommen. Der originär römischen begegnen wir heute noch am Karfreitag: Nennung des Anliegens, Stillgebet der Gläubigen, zusammenfassende Oration des Vorstehers. Griechische Einflüsse machten zur Zeit von Papst Gelasius (492–496) die Fürbittlitanei populär, wie sie heute noch in der byzantinischen Liturgie gepflegt wird, und bei der sich die Gemeinde die vom Diakon vorgetragenen Anliegen jeweils mit dem Ruf Kyrie eleison zu eigen macht. Die Litanei verdrängte die römischen Fürbitt-Orationen. Als ein Jahrhundert später Papst Gregor d. Gr. diese Litanei auf die Anrufungen verkürzte und in den Reigen der die Messe vorbereitenden Gebete als Kyrie einordnete, war das Fürbittgebet außerhalb der Karwoche faktisch verschwunden.
Wenn nun nach einem halben Jahrhundert – und nicht zum ersten Mal – die Praxis der Fürbitten in der Kritik steht, ist es womöglich an der Zeit, nicht nur nach der theologischen Relevanz des Allgemeinen Gebets der Gläubigen, seinen Inhalten und Formulierungen sowie dem dahinter stehenden Gottesbild zu fragen, sondern sich auch einmal seiner Form zuzuwenden. Vor dem geschichtlichen Hintergrund scheint es keineswegs ausgemacht, dass das Gebet in Form einer Litanei zu geschehen hat. Auch ist es gewiss nicht zwingend, immer neue Anliegen und diese in größtmöglicher Aktualität und Relevanz zu formulieren. Beides sollte möglich sein, aber warum nicht auch über feste Formen als Ergänzung zur wünschenswerten Variabilität nachdenken?
Zwei Anregungen sollen folgen: Einer im Stil einer erweiterten Oration, ein anderer im Stil der Litanei. Beide sind möglichst offen gehalten, so dass sie regelmäßig an die Stelle des Allgemeinen Gebets treten können. Sie befreien vom „Stress“ des freien Formulierens bzw. Auswählens passender Intentionen und bilden dennoch die von der Konzilskonstitution und dem Messbuch geforderten Inhalte ab. Vielleicht wäre der Verzicht auf ein „täglich neu“ ein passender Vorsatz fürs „Fürbittfasten“.
Modell Oration
Christus, unser Gott,
durch deinen Tod und deine Auferstehung hast du die Welt erlöst
und dein Reich auf Erden eingepflanzt.
Erhöre unsere Bitten,
die wir vor dich bringen:
Steh den Notleidenden bei,
richte die Unterdrückten auf,
heile die Kranken,
sei bei den Einsamen,
verzeihe den schuldig Gewordenen,
behüte die Gerechten,
begleite die Reisenden
und umsorge die Menschen allerorten.
Leite die Hirten deiner Herde
und eine deine Kirche.
Führe die Regierenden,
segne dein Volk
und halte Krieg und Unruhen fern.
Sorge für die Familien,
hilf den Alleinstehenden
und schütze die Fremden.
Gedenke auch der Verstorbenen
und derer, die um sie trauern.
Lass uns dereinst in deinem himmlischen Reich das Fest feiern,
das kein Ende kennt.
Denn deine Barmherzigkeit ist weiter als das Meer,
und dir senden wir den Lobpreis empor,
auch deinem anfanglosen Vater
und deinem lebenspendenden Geist,
jetzt und allezeit und in Ewigkeit.
(nach Motiven eines maronitischen Weihrauchgebets, vgl. Michael Pfeifer, Der Weihrauch, 3. Aufl. 2018, S. 196)
Modell Litanei
V: Lasset uns beten zum Herrn.
A: Kyrie eleison.
(Einleitung und Ruf folgen nach jeder Intention.
Idealerweise wird nicht nur der Ruf, sondern auch die Intention gesungen.)
– Für unseren Papst N., unseren Bischof N., (unseren Pfarrer N., wenn nicht dieser dem GD vorsteht)
für alle Bischöfe, Priester und Diakone,
für alle, die zu einem besonderen Dienst in der Kirche bestellt sind:
– Für die Gemeinde des (der) hl. N. (KirchenpatronIn),
für alle ihre Mitarbeiter und Wohltäter,
für alle, die ihr im Gebet verbunden sind:
– Für die Völker der Erde,
für unser Land und diese Stadt N. (diese Ortschaft N.)
und alle, die darin leben:
– Für die Opfer von Krieg, Gewalt und Katastrophen,
für alle, die unter Hunger, Armut und Unterdrückung,
unter Krankheit, Schuld oder Einsamkeit leiden:
– Für alle, denen wir unser Gebet versprochen haben (evtl. N.),
für den, der jetzt neben uns steht,
und für alle, an die niemand denkt:
– Für die im Glauben an Christus Entschlafenen (evtl. N.)
und für die um sie Trauernden:
(Aus: Michael Pfeifer, Der Weihrauch, 3. Aufl. 2018, S. 206)
publiziert in:
Gottesdienst 52 (2018) S.144