Das Wort Gottes feiern

Zur musikalischen Gestaltung von Wort-Gottes-Feiern

I

„In einem Wortgottesdienst spiele ich nicht.“ Leider hört man solcherlei immer wieder einmal von gestandenen Organisten. Und auch Chorleiter tun sich schwer mit der musikalischen Gestaltung einer Wort-Gottes-Feier: Das übliche Repertoire will nicht so recht zu den Erfordernissen dieser Liturgie passen. In der Tat wird die gottesdienstliche Vielfalt in unseren Kirchen größer und die liturgische Landschaft verändert sich. Kirchenmusikalische Ausbildungsstätten reagieren inzwischen  darauf. Doch schwieriger sind diejenigen zu erreichen, die schon lange im Dienst sind.

Hier wären eigentlich die pastoralen Mitarbeiter vor Ort gefragt. Doch stehen den Wort-Gottes-Feiern oftmals nicht Hauptamtliche mit profunder theologischer Ausbildung vor, die den übrigen am Gottesdienst Beteiligten auch eine strukturelle und inhaltliche Erläuterung des liturgischen Tuns bieten könnten. Vielmehr leiten engagierte Ehrenamtliche die Gottesdienste, denen es ein Anliegen ist, dass die Kirche am Ort nicht verschlossen bleibt und sich die christliche Gemeinde regelmäßig trifft, um gemeinsam ihren Glauben zu feiern. Ein nicht hoch genug einzuschätzender Dienst! Auch sie sind – trotz bestmöglicher Schulung – oft nicht sattelfest in den liturgischen Abläufen und über die Rolle, die Musik und Gesang im Gottesdienst haben. Daher ist es um so wichtiger, dass die Kirchenmusiker sich von ihrer Profession her mit der Wort-Gottes-Feier auseinander setzen. Ein paar Anregungen auf Grundlage des 2004 erschienenen „Werkbuches Wort-Gottes-Feier“ sollen hierzu folgen:

 

Für den Gesang zur Eröffnung einer Wort-Gottes-Feier gilt nichts anderes, als für die Eingangslieder aller liturgischen Feiern. Er dient sowohl der emotionalen wie der inhaltlichen Einstimmung. Das gemeinsame Singen eines möglichst bekannten Liedes/Wechselgesangs dient der Sammlung der Gemeinde. Ideal ist es, wenn hier bereits Motive des gottesdienstlichen „Themas“ anklingen.

Obwohl der Eröffnungsgesang eigentlich Begleitgesang zur Einzugsprozession ist – sehr eindrucksvoll ist es beispielsweise, wenn die Einziehenden selbst singen (ggf. im Wechsel mit der Gemeinde) – erklingt in der Praxis oft zunächst Instrumentalmusik und erst wenn alle ihre Plätze eingenommen haben, wird gemeinsam gesungen. Auf diese Weise können die Einzugsprozession und die Riten am Altar – z. B. die Ablage und Inzens der Heiligen Schrift am „Ort des Buches“ – von der versammelten Gemeinde besser wahrgenommen werden. Das Präludium sollte dabei allerdings bereits den Charakter des folgenden Gesangs aufgreifen. Zusammen sind beide die Ouvertüre, die maßgeblich die Atmosphäre des beginnenden Gottesdienstes beeinflusst.

 

Ein schärferes Profil haben in der Wort-Gottes-Feier die Christusrufe erhalten. Sie wurden aus der Umklammerung durch den Bußakt gelöst und sind ganz eindeutig ein Begrüßungs- und Huldigungsruf an den in seiner Gemeinde gegenwärtigen Herrn. Dies wird neben der abweichenden Benennung noch deutlicher dadurch, dass das Gloria, das in der Messfeier sonn- und festtags das Kyrie entfaltet, in der Wort-Gottes-Feier zu einem späteren Zeitpunkt gesungen wird.

Leider bietet das Gotteslob kaum eine Vertonung, die einem Huldigungsruf angemessen erscheint. Getragene Melodien beherrschen das Feld. Umso wichtiger ist eine festliche Intonation. Die vielfach üblichen – aber keineswegs nötigen – Tropierungen (Zwischenverse) haben Christusprädikationen zu sein. Die Thematik von Schuld und Sünde ist hier grundsätzlich fehl am Platz. Um dem Missverständnis vorzubeugen, das Kyrie sei eine Vergebungsbitte, empfiehlt es sich, nicht die zweideutige deutsche Übersetzung, sondern das griechische Original zu verwenden, das auch in der lateinischen Liturgie stets unübersetzt geblieben ist.

Ihrem Charakter nach und auch weil die Christusrufe das einzige musikalische Element im Eröffnungsteil der Wort-Gottes-Feier sind, sollten sie gesungen werden. Dies gilt auch für die evtl. eingefügten Tropen. Ihre Singbarkeit ist gleichzeitig der Lakmustest für eine treffende Formulierung. Wirkt das Kantillieren befremdlich, sind sie sprachlich oder inhaltlich nicht wirklich passend, um den Huldigungsruf zu ergänzen.

 

Der Verkündigungsteil in der Wort-Gottes-Feier folgt sonntags der Ordnung des Wortgottesdienstes der Messfeier. Für die Wochentage sind andere Zuschnitte mit stärkerer Fokussierung auf Evangelium, Lesung oder Psalm möglich. Auch können dort hagiographische Lesungen verwendet werden. Grundsätzlich diskutiert wird die Frage, wie im Wortgottesdienst die „Einheit der Schrift“ besser zum Ausdruck kommen kann. Die einseitige und intensive Betonung des Evangeliums (Prozession, Halleluja, Kerzen, Weihrauch, Evangeliar, Kreuzzeichen, Kuss …) markiert einseitig dessen Höhepunkt. Entsprechend gibt es Bestrebungen, bereits zu Beginn des Verkündigungsteils das Buch – dann besser eine Vollbibel statt Lektionar oder Evangeliar – vom „Ort des Buches“, wo es nach der Einzugsprozession niedergelegt wurde, in Prozession zum Verkündigungsort zu geleiten. In diesem Fall wäre hier ein Prozessionsgesang angemessen, etwa aus der Rubrik „Wort Gottes“ (GL 447–450).

 

Nach der Ersten Lesung, die wie alle Bibeltexte und Orationen kantilliert werden kann, folgt der Psalm. Er ist in der Leseordnung stets passend zur Lesung ausgewählt, greift Motive aus ihr auf, verdichtet sie und führt den Blick zuweilen darüber hinaus. In einem Gottesdienst, bei dem die Heilige Schrift ausdrücklich im Mittelpunkt steht, ist das Ersetzen des Psalms durch eine Liedstrophe keine Option.

Ein zusätzliches wichtiges Interpretament ist der beigegebene Kehrvers. Der Kehrvers fokussiert die Psalmaussage nochmals und sollte bei einem vorgegebenen Repertoire (z. B. Gotteslob) daher mit Bedacht ausgewählt werden und so genau wie möglich der Vorlage im Lektionar entsprechen. Dies leistet beispielsweise das Psalmenbuch*, in dem sich zu jedem der gut 300 Kehrverse des Lektionars eine leicht singbare Entsprechung findet. Mit dem Kehrvers beteiligt sich die Gemeinde an der Verkündigung. Er sollte stets so kurz und einprägsam sein, dass er von allen auswendig wiederholt werden kann. Von ihm, dem Responsum, hat der „Antwortpsalm“ (lat. psalmus responsorius) seinen Namen. Er beschreibt den Psalm nicht etwa als Antwort auf die vorangegangene Lesung, sondern bezeichnet vielmehr die responsoriale Aufführungspraxis: Textvortrag durch einen Einzelnen, gleich bleibende Antwort durch alle. Das Werkbuch reagiert mit der schlichten Benennung als „Psalm“ auf dieses weit verbreitete Missverständnis.

Gleichwohl kann auf den Kehrvers nötigenfalls verzichtet werden (sog. psalmus in directum), auch wenn dadurch das Element der Mitwirkung der Gemeinde an der Verkündigung entfällt. Umgekehrt ist es nicht sinnvoll, die Gemeinde selbst den Psalm singen zu lassen, etwa im versweisen Wechsel wie in der Tagzeitenliturgie. Das wird dem Verkündigungscharakter des Psalms nicht gerecht, sondern gehört stattdessen zur Gebetstradition.

Beim Singen ist stets zu beachten, dass der Text und nicht die Melodie im Vordergrund steht. Eine schlichte Rezitation ist daher dem Vortrag angemessener als eine kunstvolle Melodie oder gar die Psalmtöne der Gemeindepsalmodie, die für den antiphonalen Vollzug in zwei Gesangsgruppen gedacht sind.

Der Antwortpsalm ist zunächst selbst Verkündigung. Er wird daher von einem Solisten (Kantor, evtl. auch von einer Sängergruppe) vorgetragen und hat seinen Ort am Ambo. Organisten, die gleichzeitig den Kantorendienst übernehmen, sei empfohlen, den Psalm lieber dort unbegleitet vorzutragen, statt ihn vom Spieltisch aus, gewissermaßen „aus dem Off“ zu singen. Kann der Psalm nicht gesungen werden, ist es auch möglich, ihn (evtl. mit flächigen Klängen unterlegt oder auf andere Weise musikalisch gedeutet) zu sprechen.

Möglich ist ferner, Psalmlieder anstelle des jeweiligen Psalms einzusetzen. Die Lieder sollten dann aber ganz gesungen werden, so dass die wesentlichen Aussagen des Psalms auch nachvollziehbar bleiben. Ausnahmsweise kann auch Stille oder Instrumentalmusik an die Stelle des Psalms treten.

 

Nach der Zweiten Lesung bereitet der Ruf vor dem Evangelium auf dessen Verkündigung vor. Das Halleluja ist gewissermaßen seine Erkennungsmelodie. Mit dem Jubelruf, der dem israelitischen Gottesdienst entstammt, wird in der Offenbarung des Johannes das Lamm (Christus) begrüßt als der Sieger über das Böse. Als österlicher Jubelruf kündigt es die befreiende Botschaft vom Sieg des Lebens über den Tod an (Christus ist unser Osterlamm). Es versteht sich von selbst, dass dieser Jubelruf nicht gesprochen werden kann. Er sollte zudem durch festliche Musik eingeleitet werden, die einen im Wortsinn „von den Stühlen reißt“.

Während des Halleluja formiert sich die Evangelienprozession; es ist ihr Begleitgesang. Der Gesang oder die rahmende Prozessionsmusik (Coda) sollte andauern, bis am Ambo alles zur Verkündigung bereit ist.

Nach dem Evangelium wird das Buch wieder an seinen Platz zurückgebracht. Hierzu kann das Halleluja nochmals wiederholt werden.

Zwischen Aschermittwoch und Karsamstag (und traditionell auch im Totengottesdienst) unterbleibt das Halleluja und wird durch besondere Christusrufe ersetzt.

 

Folgt eine Auslegung und Deutung der Schriftlesungen (Predigt), endet mit dieser und einer angemessenen Zeit der Stille, die übrigens nach jeder der Lesungen gehalten werden kann, der Verkündigungsteil.

 

II

Der zweite Teil der Feier, er ist mit „Antwort der Gemeinde“ überschrieben, wurde für das 2004 erschienene Werkbuch Wort-Gottes-Feier völlig neu konzipiert. Dass es sich hierbei nicht um eine für alle Zeiten feststehende Ordnung handelt, zeigt schon der Vergleich mit dem neun Jahre später publizierten Gotteslob, das keine Differenzierung zwischen Sonn- und Festtagen einerseits und Wochentagen andererseits mehr kennt (GL 668–671, in nachfolgender Liste sind die im Gotteslob genannten Elemente mit * markiert). Eine Zusammenschau beider Publikationen bietet folgende Auswahlelemente für den Antwortteil:

Sonn- und Festtage:

A    Glaubensbekenntnis *

B     Predigtlied

C    Taufgedächtnis

D    Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte *

E     Segnungen, die zum Sonn-(Fest-)tag gehören *

Wochentags:

a     Verehrung des Wortes Gottes *

b     Lied *

c     Wechselgebet *

d     Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte *

e     Friedensgruß *

Dabei ist einerseits bemerkenswert, dass das Taufgedächtnis im Gotteslob nicht mehr als Antwortelement genannt wird, obwohl es unter GL 576 prominent auftaucht und dort empfohlen wird, es auch in andere gottesdienstliche Feiern einzufügen, andererseits dass die Verehrung des Wortes Gottes und das Wechselgebet nun unterschiedslos sonntags wie wochentags gebraucht werden können.

Betrachten wir die einzelnen Elemente genauer, fällt auf, dass sie fast ausnahmslos auch eine musikalische Gestaltung ermöglichen bzw. erfordern.

 

Anders als in der Messfeier ist das Glaubensbekenntnis in der sonntäglichen Wort-Gottes-Feier nicht obligatorisch, sondern sollte nur von Fall zu Fall als Antwortelement ausgewählt werden. Es kann gesprochen oder gesungen werden. Ein Ersatz durch ein Credo-Lied ist in der Wort-Gottes-Feier nicht sinnvoll: Einerseits wegen des Eigengewichts als nicht regelmäßiges Element, andererseits wegen möglicher Verwechslung mit dem „Predigtlied“ (s. u.).

Traditionell kennt die katholische Kirche für das Credo zwei Textfassungen: das Nicaeno-Konstantinopolitanische („große“) Glaubensbekenntnis (GL 586,2), das auch in der Ostkirche verwendet wird, und das Apostolische Glaubensbekenntnis (GL 3,4), das ursprünglich das Taufbekenntnis der römischen Kirche war und erst spät seinen Platz in der Messfeier bekam.

 

Während in der Sonntagsmesse nach der Predigt stets das Credo erklingt, dagegen eine inhaltlich fokussierte musikalische Reaktion auf die vorangegangene Verkündigung nicht vorgesehen ist, eröffnet das (Predigt-)Lied in der Wort-Gottes-Feier ganz neue musikalische und inhaltliche Möglichkeiten.

Obwohl strukturell dem Antwortteil zugeschlagen, kann das Lied nach der Predigt auch als eine Intensivierung der Verkündigung gesehen werden. Ähnlich wie in einer Kantate, in der zunächst der Evangelist im Rezitativ einen Bibeltext vorträgt, dann die Solostimme in der Arie die Aussage spirituell verdichtet und schließlich die Gemeinde mit einer Choralstrophe antwortet, kann das Lied nach der Verkündigung die Funktion entweder von Meditation oder von Akklamation bekommen. Der Verkündigungsteil wird so durch das Lied weitergeführt und auf poetische Weise neu verdichtet.

Die Einführung des Predigtlieds in die Wort-Gottes-Feier erinnert auch an die leider kaum noch gepflegte Tradition der Liedpredigt, bei der das abschnittweise kommentierte Singen eines passendes Liedes (oder Kantatenwerkes) den roten Faden für die Auslegung darstellt.

Mit der inhaltlichen Zuspitzung des Predigtliedes auf die verkündete biblische Botschaft tritt eine für die katholische Liturgie ungewohnte Funktion von Liedern zu Tage: Sie bekommen ein Eigengewicht jenseits liturgischer Vollzüge. So sind beispielsweise in der Messe die ersten vier Teile des Ordinariums und der Antwortpsalm zwar selbständige Gesänge, aber textlich nicht variabel. Auch der Hymnus nach der Kommunion ist inhaltlich auf „Danksagung“ festgelegt. Die übrigen gesungenen Lieder sind allesamt Begleitgesänge verschiedener Handlungen (Einzug, Gabenprozession, Brotbrechung, Kommunion) und daher inhaltlich auf diese bezogen. Nimmt man die liturgischen Vorgaben ernst, gibt es also kaum wirklich freie Auswahlmöglichkeiten. Anders ist das beim Predigtlied, das weder eine liturgische Handlung begleitet noch textlich durch die Liturgie festgelegt ist. Stattdessen bietet es die Gelegenheit zu musikalischer Kommentierung der vorausgegangenen Verkündigung. Ein noch viel zu selten genutztes Potenzial!

 

Das Taufgedächtnis ist eine liturgische Miniatur, die normalerweise aus einem  Gebet über das Wasser, der Erneuerung des Taufbekenntnisses und der Austeilung des Wassers besteht. Alle diese Elemente können musikalisch gestaltet werden: So lässt sich ein Lobpreisgebet durch kantillierte Akklamationen unterbrechen, das Bekenntnis kann im gesungenen Credo Gestalt gewinnen und begleitend zur Austeilung kann ein Tauflied oder ein passender Wechselgesang gesungen werden. Eine etwaige Prozession zum und vom Taufort – die ja nicht unbedingt auf direktem Weg geschehen muss – verlangt ebenfalls nach Begleitmusik.

 

Anders als in der Messfeier finden sich Schuldbekenntnis und Vergebungsbitte nicht im Eröffnungs- sondern im Antwortteil des Gottesdienstes: Getroffen von Gottes Wort wird dem Menschen seine Schuld bewusst und er bittet um Vergebung. Ähnlich wie das Credo gehört das Schuldbekenntnis nicht zum „Standardprogramm“ einer Wort-Gottes-Feier, sondern sollte anlassbezogen ausgewählt werden. Als Gestaltungsvorschläge stehen die Varianten von Form A („Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen …“) und B („Erbarme dich, Herr, unser Gott, erbarme dich …“) aus dem Messbuch bereit. Daneben wird die Möglichkeit eröffnet, Psalm 130 (GL 639,3.4) zu singen. Passend sind sicher auch andere Bußpsalmen oder Psalmlieder wie GL 268, 277 oder 283.

 

Bei einer Segnung oder einem Wechselgebet sollten musikalische Elemente eher zurückhaltend eingesetzt werden. Aber selbstverständlich können Akklamationen oder wiederkehrende Verse auch gesungen werden.

 

Das Friedenszeichen, gehört am Sonntag zu den obligatorischen, am Wochentag hingegen zu den fakultativen Antwortelementen der Wort-Gottes-Feier. In der Praxis fehlt es in kaum einem Gottesdienst. Ob zum Austausch des Friedenszeichens das gemeinsame Singen eines Friedensliedes realistisch ist, wie die Werkbücher anregen, sei dahingestellt: Während des Austauschs ist gemeinsames Singen kaum möglich und anschließend verfehlt es seine Rolle als Begleitgesang, zumal unmittelbar danach die Kollekte eingesammelt wird. Denkbar wäre allenfalls, ein Friedenslied als Bitte dem Gruß und Austausch des Zeichens vorzuschalten oder diesen Ritus zusammen mit der Kollekte schlicht durch Instrumentalmusik zu begleiten.

Ohnehin ist zu fragen, ob das Friedenszeichen als letztes der Auswahlelemente vor dem sonntäglichen Lobpreis einen guten Platz gefunden hat und nicht besser als „Siegel des gemeinsamen Gebets“, wie die Kirchenväter das Friedenszeichen verstanden, nach dem Vaterunser und damit am Schluss des Antwortteils zu platzieren wäre.

 

Unter den Antwortelementen verdient die Verehrung des Wortes Gottes besondere Beachtung. Zusammen mit dem Lobpreisgebet und dem abschließenden Hymnus kann diese zum echten emotionalen und musikalischen Höhepunkt der Wort-Gottes-Feier werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Verehrung im Rahmen einer Prozession geschieht. Hierzu wird das Buch – Evangeliar, Lektionar oder noch besser eine repräsentative „Vollbibel“ – nach der Verkündigung wieder zum „Ort des Buches“ gebracht, der ein zentrales Pult vor den Augen der Gemeinde, aber auch der Altar sein kann. Die Anwesenden werden zu einem Zeichen der Verehrung eingeladen: einem Kuss des Buches, die Berührung der Seiten mit anschließendem Kreuzzeichen, eine Verneigung oder Kniebeuge. Auch das Auflegen von Weihrauch in einer in unmittelbarer Nähe aufgestellten Schale ist möglich. Der Weihrauch ist dann sowohl Zeichen der Verehrung wie des (nachfolgenden) Gebets. Durch Gesang wird die Verehrungsprozession noch stärker als gemeinschaftlicher Vollzug erfahren. Es eignen sich kurze Liedstrophen, die nach Zwischenversen oder instrumentalen Intermezzi immer wieder auswendig wiederholt werden (z. B. GL 449,1, 450 oder Taizé-Gesänge).

 

Das anschließende Lobpreisgebet kann kantilliert und immer wieder durch gesungene Akklamationen oder Kehrverse der Gemeinde unterbrochen werden (z. B. GL 670,8). Auch die Prozessionsmusik bereits ins Anstimmen der Akklamation des Lobpreisgebetes münden zu lassen, ist eine gute Möglichkeit. Dadurch entsteht eine einzige große musikalische Einheit von Verehrung, Lobpreis und Hymnus, die als echter Höhepunkt der Feier erfahren werden kann. Zwar ist das Lobpreisgebet dem Genre nach das Gebet eines Einzelnen, das die Gemeinde akklamatorisch zu ihrem eigenen macht. Dem Wesen nach ist es aber Gebet der ganzen Gemeinde. Deshalb könnte der Lobpreis auch für Chor und Gemeinde vertont werden.

 

Der Gloria-Hymnus bildet an den Sonntagen den Abschluss des Lobpreises. An den Advents- und Fastensonntagen wird er traditionell durch das Te decet hymnus ersetzt, für das es zwar eine Vorlage in den Werkbüchern, leider aber nicht im Gotteslob gibt. Die kirchenjahrestypische Unterscheidung wird ohnehin nur dann wahrnehmbar, wenn man sich übers Jahr eng an den Gloria-Text hält und nur in den Bußzeiten davon abweicht.

Die Lobpreis-Texte enden – analog den Präfationen – sämtlich mit einer Passage wie: „… vereinen uns mit den Chören des Himmels zum Lobgesang“. Daher ist – analog zum Sanctus – allenfalls eine kurze Intonation für den nachfolgenden Hymnus zweckmäßig, falls dieser nicht sogar nahtlos an das Gebet anschließen kann.

 

Der Gebetsteil der Wort-Gottes-Feier erschöpft sich nicht im Lobpreis. Auch Bitte und Dank gehören dazu. In den Fürbitten antwortet die feiernde Gemeinde auf das Wort Gottes, indem sie betend die Anliegen von Kirche und Welt vor Gott hinträgt. Sie wendet den Blick auf die Abwesenden und hält sie bewusst in die Gegenwart Gottes. Abgeschlossen werden die Fürbitten durch das Vater unser, das selbst über weite Strecken ein Bittgebet ist und die betende Gemeinde mit Glaubensgeschwistern auf der ganzen Welt verbindet.

Beide Gebete können wie nahezu alle gottesdienstlichen Texte gesungen werden. Ausnahmsweise kann einmal eine Litanei oder ein Vaterunser auch vom Chor übernommen werden. Gewöhnlich sollte jedoch die Gemeinde selbst am Allgemeinen Gebet beteiligt sein. Dass nicht nur die Antwortrufe auf jede Bitte, sondern auch die Intentionen selbst gesungen werden können, erschließt sich aus dem Messbuch, wo neben dem Diakon auch der Kantor als möglicher Vortragender genannt wird (AEM 47). Auch sind verschiedene Formen des Fürbittgebets denkbar, wie der Blick auf die Karfreitagsliturgie deutlich macht.

Der musikalische Spannungsbogen kann nach dem Lobpreis mit abschließendem Hymnus jedoch nicht beliebig verlängert werden. Zwischen Gesprochenem und Gesungenem oder doch zumindest zwischen Gemeindegesang und Kantillation ist eine kluge Abwägung vorzunehmen. Zumal im Werkbuch nach dem Vaterunser ein weiteres musikalisches Element vorgesehen ist.

 

Neben Lob und Bitte sollte selbstverständlich auch der Dank in das gemeinsame Gebet einfließen. Allerdings gerät der an dieser Stelle vorgesehene Dankgesang leicht in Konkurrenz zum vorangegangenen Hymnus. Zumal wenn dieser zusammen mit dem Lobpreis als eindrucksvoller musikalisch-emotionaler Höhepunkt gestaltet wurde, ist ein weiteres Lied an dieser Stelle vermutlich zu viel des Guten. Falls der Friedensgruß tatsächlich an die Stelle nach dem Vaterunser verschoben wird, wäre die Abfolge von Lob, Bitte und Dank ohnehin unterbrochen.

Pragmatisch wäre, auf einen zusätzlichen Dankgesang zu verzichten, stattdessen den Hymnus stark zu machen und lieber noch ein Schlusslied an die Feier anzuhängen. Dieses hätte – zumal wenn es als Mariengruß gestaltet würde oder auf die Tageszeit Bezug nähme – auch einen anderen Charakter als ein Lob- oder Danklied.

 

Nicht erst in der Praxis fällt auf, dass die Dichte der musikalischen Elemente im Antwortteil der Wort-Gottes-Feier sehr hoch ist. Um die Liturgie in einem guten Spannungsgleichgewicht zu halten, braucht es neben einem souveränen Umgang mit der Struktur der Feier und einem vertieften Verständnis für ihre innere Dynamik auch gute Planung im Vorfeld.

Dabei sind die Möglichkeiten der musikalischen Gestaltung eines solchen Gottesdienstes vielfältig und weit weniger festgelegt als bei der Messe. Natürlich sind viele Kompositionen des traditionellen Repertoires auf diese hin ausgerichtet. Doch auch solche Werke in neuen Kontexten wieder anders erlebbar zu machen, ist eine kreative Herausforderung für das Zusammenwirken von Musikern und Liturgen.

Sinnvoll ist es, wenn sich die eingesetzten Gottesdienstbeauftragten und Kirchenmusiker, evtl. zusammen mit dem verantwortlichen Pfarrer oder Seelsorgsmitarbeiter auf ein einheitliches Konzept verständigen. Dieses soll nicht die persönliche Kreativität einschränken, sondern allen Beteiligten – zu denen neben den genannten etwa auch Lektoren, Ministranten oder Küster gehören – und nicht zuletzt der Gemeinde eine Gewöhnung an den Ablauf ermöglichen. Das verhindert Stress, der vor allem dann entsteht, wenn Unsicherheiten bezüglich des Fortgangs der Liturgie spürbar werden. Umgekehrt kann die Vertrautheit von Riten per se etwas Tröstliches besitzen. Um dies zu erreichen, ist Kommunikation ungemein wichtig. Nur so können die Versammelten Freude am gemeinsamen liturgischen Tun haben. Wenn Kirchenmusiker nicht als „Liederzettelempfänger“, sondern als gleichberechtigte Partner in der Gestaltung des gottesdienstlichen Geschehens gesehen werden, nehmen auch die eingangs genannten Aversionen ab. Die Entwicklung der Wort-Gottes-Feier vor Ort wird dann für alle zu einem liturgisch und geistlich bildenden Prozess.** Und Gottesdienst wird zu einem Fest, das die Herzen erhebt.

 

Anmerkungen

* Psalmenbuch – Einfache Antwortpsalmen für alle Tage des Kirchenjahres, Katholisches Bibelwerk Stuttgart 2018, ISBN 978-3-460-32629-3
** Detailliertere Informationen zu allen Elementen der Wort-Gottes-Feier bietet: Wort Gottes feiern – Ein Ausbildungskurs für Gottesdienstbeauftragte, Echter Verlag Würzburg 2019, ISBN 978-3-429-05465-6


publiziert in:
Musica sacra 140 (2020) S. 238–240, S. 320–322

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