Wie eine Fanfare klingt der Aufruf zu Beginn des Liedes: Eine Einladung an alle Menschen, zum Tisch des Herrn hinzuzutreten. Jesus lädt ein, er ruft uns, ohne auf die Person zu sehen. Er kennt die Menschen und weiß um ihre Schwachheit. Aber die Eucharistie heilt diese Schwächen bei allen, die sich auf diese Feier einlassen.
Die erste Strophe erinnert an das, was Jesus beim Abendmahl getan hat. Doch bleibt dies keine Episode aus fernen Zeiten, sondern es geschieht jetzt bei uns. Was der Herr getan hat, feiern wir heute in der Messe.
Entsprechend versetzt uns die zweite Strophe auch nicht in den Abendmahlssaal, sondern in eine aktuelle Liturgiefeier: Kerzen sind entzündet; Sprechen, Singen, Künden beschreiben den Ablauf eines Gottesdienstes, in dessen Mittelpunkt das gebrochene Brot und der Becher voll Wein stehen. Wer in diese Feier eintaucht, sich also selbst geben will, der empfängt Kraft zum Neubeginn. Der Apostel weiß: Wer in Christus ist, ist eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. (2 Kor 5,17)
Erfüllt vom Geschenk der Eucharistie, in der uns Gott begegnet und sich für uns hingibt, geschieht Wandlung: Die harten Herzen brechen und die Sinne werden offen für Not und Wunden der Anderen. Diese Wandlung steht im Zentrum des Liedes, der Eucharistiefeier wie des Christseins überhaupt.
Die beiden abschließenden Strophen bieten dann einen Ausblick auf das, was sich verändern wird, wenn wir uns auf diese Feier wirklich einlassen: Das Unrecht wird weichen, die Lüge untergehen. Wenn wir an Jesu Seite stehen, können wir uns nichts mehr vormachen, uns nicht mehr selbst belügen. Wir können nicht mehr im Dunkel unserer Selbstbezogenheit vegetieren, denn die schattenwerfenden Wolken sind zerrissen und wir können unsere Wirklichkeit im Licht Christi betrachten.
Die letzte Strophe greift nochmals das Alle vom Beginn auf: Blinde, Lahme, Kranke, mit uns allen ist Gott. Er schließt uns nicht aus, auch wenn unsere Herzen noch blind, lahm oder krank sind. Wer sich wieder und wieder auf die innere Teilnahme am Sakrament des Neuen Bundes einlässt, wird gestärkt, und er wird heil.
Simon Jelsma (1918–2011) war noch Priester bei den Herz-Jesu-Missionaren in Den Haag, als er 1966 dieses Lied schrieb. Der Organist und Musiktherapeut Wim ter Burg (1914–1995) steuerte zu diesem wie zahlreichen anderen neuen Kirchenliedern die Melodie bei. Ins Deutsche übertragen hat Alle mensen luistert, wie das Lied im niederländischen Original heißt, der langjährige altkatholische Bischof von Deutschland Sigisbert Kraft. 1975 hat Wim ter Burg seine Komposition nochmals überarbeitet. Diese – etwas abwechslungsreichere – Melodie findet sich mit einem anderen Text in Regionalteilen des Evangelischen Gesangbuches.
Selbst mit der Melodie von 1966 ist dieses Lied noch eine echte Entdeckung für den Würzburger Eigenteil des neuen Gotteslobs! Nur schade, dass es etwas versteckt unter der Rubrik Die Feier der Heiligen Woche eingeordnet wurde. Es ist diesem poetisch dichten Lied zu wünschen, dass es nicht nur in der Karwoche gesungen wird.
publiziert in:
Würzburger katholisches Sonntagsblatt 2016/35 S.26