Ein Amen zuviel

Wenn das Gebet bereits nach der Einladung zu Ende ist

In vielen Kirchen kann man es hören. Altgediente wie neugeweihte Priester sagen es. Auch Bischöfen rutscht es heraus. Und dennoch ist es völlig fehl am Platz: Das Amen vor dem Gabengebet.

Wie alle Orationen wird auch das Gabengebet durch eine Gebetseinladung eröffnet. Dieser Einladung – zumeist in der Form „Lasset uns beten“ – folgt idealerweise eine angemessene Zeit der Stille, in der jeder sein persönliches Gebet formulieren kann. Sodann faßt der Vorsteher das private Gebet der Gläubigen in der Kollekte zusammen, zu der die Gemeinde ihrerseits mit dem „Amen“ ihre Zustimmung gibt.

Anders als bei den anderen Orationen der Messe bietet das Meßbuch für die Einladung zum Gabengebet neben „Lasset uns beten“ zwei weitere Varianten an. Die erste („Lasset uns beten, … daß er die Gaben der Kirche annehme …“) zielt wiederum auf das private Stillgebet der Gläubigen, dem durch die ausführlichere Form der Einladung eine bestimmte Richtung gegeben ist. Alle sollen zunächst auf ihre Weise darum beten, daß Gott die Gaben zu seinem Lob annehme. Nach dieser Gebetsstille folgt die Kollekte des Priesters und die Amen-Akklamation der Gemeinde.

Die andere Variante („Betet, Brüder und Schwestern, …“) ist wiederum Aufruf zum Gebet in einem bestimmten Anliegen. Dieses Gebet vollzieht die Gemeinde aber nun nicht privat in Stille, sondern gemeinsam und hörbar („Der Herr nehme das Opfer an …“). Nach diesen Worten, mit denen die Gemeinde gewissermaßen den Gebetsteppich für die Oration ausrollt, sagen manche Zelebranten völlig überflüssigerweise „Amen“. So wirkt das „Orate fratres – Suscipiat“ wie ein selbständiges Gebet und nicht wie eine Einladung zum Gabengebet, die es doch seit mehr als vierzig Jahren ist.

Vielleicht ist die Versuchung für manchen Priester zu groß, auch einmal zu einem Gebet der Gemeinde „Amen“ sagen zu dürfen, statt immer nur umgekehrt. Dem Verständnis der Struktur der Liturgie dient das Amen mitten im Gabengebet jedenfalls nicht.


publiziert in:
Gottesdienst 41 (2007) S. 172