Mystisches Versenken
Bereits der Liedtext von Lars Stenbäck För Jesu milda ögon aus dem Jahr 1839 kreist um die Gottesgegenwart, deren verzeihender Liebe sich der Sünder nähert, um in Jesu sanften Augen zu versinken. Zu dieser Vorlage schuf der finnische Pastor, Gehörlosenseelsorger und Chorleiter Huugo Nyberg 1903 die Melodie. In dieser Kombination ist das Lied in Schweden, Finnland, den Niederlanden und etlichen weiteren Ländern bekannt.
Auf Nybergs Melodie schrieb der baptistische Pastor, Kirchenhistoriker und Hymnologe Günter Balders 1984 einen neuen Text, der thematisch seinerseits um die Hingabe an den liebenden Gott kreist. Erstmals erschien das Lied im *Singheft 1985 und wurde später im freikirchlichen *Neue Gemeindelieder sowie im *Leben aus der Quelle der Adventisten rezipiert. Von dort wurde es ins *GL 2 übernommen.
Kunstvolle Verschränkung
Eingangs- und Ausgangszeile der vierzeiligen Melodie sind identisch. Dieser Vorgabe folgt auch die Dichtung von Balders und rahmt damit die Sinnspitzen der Strophen, die ihrerseits auch mit den Spitzentönen der Melodie korrelieren. Während erste und letzte Zeile in tiefer Lage ruhige Akzente setzen, drängen die Mittelzeilen voran und nach oben.
Auch erste und vierte Strophe rahmen mit gleichem Initium das Lied. Während die erste den scheinbaren Widerspruch von Lobgesang und Stille, von Gebetsworten und Schweigen eröffnet, bündelt die vierte Strophe die Antworten, die die beiden mittleren Strophen anbieten: ein Gott liebendes Leben ist der wahre Lobgesang.
Leben als Gebet
Gott offenbart sich schon Elija nicht im Spektakulären, nicht in Sturm, Erdbeben oder Feuer, sondern in der Stille (1,1 vgl. 1 Kön 19,11f). Wer sich Gott nähern will, muss zuerst selbst still werden. „Plappern“ ist hingegen hinderlich, wie Jesus selbst lehrt (vgl. Mt 6,7).
Wichtiger als der formale Gottesdienst ist die Liebe. Doch auch sie ist „nur“ Antwort. Gottes Liebe steht am Anfang (2,2). Sie wird erkennbar in seinem Heilswirken (3,2) und beglaubigt durch die Menschwerdung seines Sohnes (2,3 vgl.1 Joh 4,10.19).
Weitere Antwort ist schließlich die liebende Hingabe unseres Lebens. Der Dank für alle Fürsorge Gottes wird durch ein Leben deutlich, das vollenden soll, was er zu tun begann (3,3). Dies geschieht, wenn wir handeln nach seinem Wort (4,3).
Mehr an Gottesdienst ist nicht verlangt: nicht Opfer, nicht Kult, nicht wortreiche Gebete. Nur ein Leben nach seinem Wort, in aller Stille. Es ist an Gott, (am Ende der Zeiten) die Stimme zum Lob zu befreien (1,3 vgl. Mk 7,34f): dann wird unser Mund sein Lob verkünden (vgl Ps 51,17).
publiziert in:
Die Lieder des Gotteslob. Geschichte–Liturgie–Kultur, Stuttgart 2017