Kling, Glöckchen, an Ostern

Ein Klangteppich fürs Osterevangelium

Osterprozession Granada mit "facundillos"

Osterprozession Granada mit „facundillos“

„¡Fuerte, fuerte!“ Immer wieder unterbricht der Erzbischof den Vortrag des Diakons und ermuntert die Kinder zum kräftigen Klingeln mit ihren mitgebrachten Glöckchen. Es ist Ostersonntag in der Kathedrale von Granada in Südspanien. Traditionell begleiten die Kinder mit ihren aus Terracotta oder Silber gefertigten Glocken die Verkündigung des Evangeliums. Später am Tag werden sie zu einer prächtigen Prozession durch die Straßen der Stadt aufbrechen. Auch dabei spielen die hübsch ausstaffierten Kinder mit den „facundillos“ eine wichtige Rolle.

2019 brach die Pandemie über die Welt herein. Ausgangs- und Kontaktsperren veränderten den Alltag schlagartig und in ungekanntem Maße. Auch die österlichen Liturgien fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ein Jahr später waren hierzulande Gemeindegottesdienste zwar wieder möglich, doch die Auflagen hinderten am gemeinsamen Singen – sogar des österlichen Hallelujas. Wie also könnte eine Beteiligung der Gemeinde an diesem emotionalen Höhepunkt der Osternacht gelingen, wenn kein Gesang möglich ist?

Eine Gemeinde in Aschaffenburg ließ sich von der Tradition aus Granada inspirieren und besorgte im Kindergartenfachhandel kleine Schellen und Glöckchen. Beim Empfang am Kirchenportal wurden sie an die Mitfeiernden überreicht. Der traditionellen Einleitung zum Halleluja – „Ich verkünde euch eine große Freude: Das österliche Halleluja.“ – wurde die Einladung vorangestellt, doch zum Gesang des Kantorenensembles und auch zum nachfolgenden Evangelium mit den Glöckchen ein Klangteppich auszubreiten und so die innere Beteiligung am Geschehen auszudrücken. Der Ritus wurde begeistert aufgenommen – keineswegs nur von den Kindern – und auch an anderen Stellen im Gottesdienst erklangen spontan die Glöckchen.

Seither ist es in der Aschaffenburger Gemeinde gute Tradition geworden, das Osterevangelium mit dem silbrigen Klingeln zu begleiten. Zusammen mit vorangehendem Halleluja und nachfolgendem „Christ ist erstanden“, zu dem dann auch die Altar- und Kirchturmglocken einstimmen, ist das in jedem Jahr der Höhepunkt der Osternacht, zu der die Gemeinde in der Vergangenheit meist ohne Priester zusammenkam. Den Mitfeiernden zaubert dieser Brauch ein Lächeln ins Gesicht. Was wäre österlicher? Die Ermunterung „Kräftig, kräftig!“ ist inzwischen überflüssig geworden.


publiziert in:
Gottesdienst 58 (2024) S. 77