Die Lichtfeier der Osternacht gehört zu den beeindruckendsten Riten der römischen Liturgie. Zu sehen, wie die besondere Kerze am Feuer entzündet wird, wie das Licht in die dunkle Kirche getragen wird und sich dort ausbreitet, ist ein erhebender Moment. Gekrönt wird die Lichtfeier durch grandiose Poesie: das österliche Exsultet.
Nach dieser Overtüre der Osternacht, die ganz vom „natürlichen“ Kerzenlicht lebt, stellt sich immer wieder die Frage, wie mit dem „künstlichen“ Licht in dieser Feier umgegangen werden soll, wann man also die elektrische Beleuchtung anschaltet. Die Rubriken der liturgischen Bücher geben darüber grundsätzlich keinen Aufschluss, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag. Doch beziehen sich liturgische Anweisungen stets auf „natürliches“, nicht auf elektrisches Licht. Entsprechend enthält das Messbuch vorderhand keine Vorschriften darüber, ob und wann in der Osternacht der Lichtschalter zu betätigen ist.
Nachdem die Osterkerze am Feuer entzündet wurde, erhebt sie der Diakon und ruft „Lumen Christi“. Am Eingang der Kirche bleibt der Diakon stehen und ruft abermals „Lumen Christi“. Darauf zünden alle Mitfeiernden ihre Kerzen an der Osterkerze an und ziehen in die Kirche ein. Vor dem Altar wendet sich der Diakon dem Volk zu und ruft zum dritten Mal „Lumen Christi“. Darauf werden die übrigen Lichter in der Kirche entzündet, nicht jedoch die Altarkerzen. Im Lateinischen heißt die Stelle: „accenduntur lampadas per ecclesiam [exceptis cereis altaris]“. Im deutschen Messbuch von 1975 war dies zunächst missverständlich übersetzt mit: „In der Kirche wird Licht angemacht“. Im deutschen Messbuch für die Osterfeier von 1996 hingegen ist der Passus inzwischen korrigiert. Er lautet jetzt: „Im Kirchenraum vorhandene Kerzen (z.B. Apostelleuchter) werden angezündet.“ und vermeidet damit den Gedanken an das Einschalten der elektrischen Beleuchtung bereits vor dem Exsultet. Schon 1970 übersetzten die Redakteure der deutschen Ausgabe der „Liturgie der Karwoche und Osternacht“ die lateinische Vorlage mit „Nun werden die Lichter in der Kirche angezündet“, was ebenfalls nicht so recht auf die elektrische Beleuchtung passen mag, die man gemeinhin nicht anzündet. Ergänzend – und nun wohl doch wieder mit Blick auf die elektrische Beleuchtung – brachten sie noch den Hinweis an: „Sofern damit nicht bis zum Ende der Lichtfeier gewartet wird.“
Schon aus der Stellung der Rubrik im Kontext des dreimaligen „Lumen Christi“ ergibt sich, dass an das sukzessive Entzünden aller „natürlichen“ Beleuchtungskörper in der Kirche gedacht ist, nicht aber an das plumpe Entwerten des Lichtritus durch gleißende elektrische Beleuchtung – noch dazu vor der feierlichen Lichtdanksagung, zu der alle brennende Kerzen in den Händen halten.
Dies ist auch für die Erneuerung des Taufversprechens vorgesehen. Daher ist die Rubrik am Beginn des Wortgottesdienstes „Alle legen die Kerzen weg und setzen sich“ ebenfalls missverständlich, wurde bislang aber nicht korrigiert. Wenn alle die Kerzen weglegen (und zu diesem Zweck zuvor auslöschen), sind die brennenden Kerzen zum Taufversprechen nicht mehr zur Hand. Von einem zwischenzeitlichen erneuten Entzünden der „weggelegten“ Kerzen verlautet nichts. Das Lateinische depositis candelis nach dem Exsultet darf also nicht mit (ausblasen und) weglegen, sondern nur mit abstellen der (brennenden) Kerzen übersetzt werden. Daraus ist zu schließen, dass die Kerzen in der ganzen nächtlichen Feier brennen bleiben.
Die Altarkerzen, die beim dritten „Lumen Christi“ noch nicht entzündet wurden, werden zum Gloria angesteckt. Dadurch wird die Nahtstelle der Osternachtsliturgie noch deutlicher als durch Glocken und Orgelspiel markiert: Während Lichtritus und Prophetenlesungen zur Vigil gehören, in der der Altar als liturgischer Ort keine Rolle spielt, beginnt mit dem Gloria die Messfeier. Bemerkenswert auch, dass zum Evangelium keine Kerzen getragen werden. Hier hat sich in der Osternacht ein alter Brauch in „liturgisch hochwertiger Zeit“ erhalten.
Wann also elektrisches Licht in der Osternacht? Am besten gar nicht! Es sei denn, die Kirche verfügt über eine moderne Lichtanlage, die eine sehr differenzierte Steuerung der Beleuchtungssituation ermöglicht. In diesem Fall wäre die Rubrik nach dem dritten „Lumen Christi“ möglicherweise auf das Einschalten einer äußerst dezenten und indirekten Beleuchtung im Kirchenraum hin zu deuten – als wäre der Raum außer durch Kerzen auch durch Öllampen und Kandelaber erhellt. Eine leichte Steigerung der Lichtintensität zum Gloria wäre durch das Entzünden der Altarkerzen gedeckt. Falls eine solch differenzierte Lichtsteuerung nicht möglich ist, wäre das Gloria ein denkbarer Zeitpunkt zum Einschalten der elektrischen Beleuchtung. Stattdessen das Halleluja nach 40-tägiger Abstinenz durch Licht besonders betonen zu wollen, hat demgegenüber keinen Anhalt in der „natürlichen“ Lichtregie der Osternacht. Hier greift man besser auf die (aus der alten Pontifikalliturgie entlehnte) Ankündigung des Halleluja zurück. Damals wandte sich der Subdiakon vor dem Evangelium mit folgenden Worten an den Bischof: „Hochwürdigster Vater, ich verkünde Dir eine große Freude: Das (österliche) Halleluja.“
Was aber hindert, die gesamte Feier im Kerzenschein zu vollziehen? Besonders dann, wenn die Osternacht – entgegen der liturgischen Vorschriften – in den Sonnenaufgang hinein gefeiert wird, ist das durch die Fenster dämmernde Tageslicht weit früher wahrnehmbar, wenn auf elektrisches Licht verzichtet wird. Und auch bei der nächtlichen Feier, die den Auferstandenen als den wahren Morgenstern besingt, mit dessen Glanz und dem der übrigen Lichter am Himmel sich der Schein der Osterkerze vermählen soll (Exsultet), würde elektrisches Licht nur stören. Ganz abgesehen von dem tiefen emotionalen Eindruck, den ein nächtlicher Gottesdienst im Kerzenschein hinterlässt.
publiziert in:
Gottesdienst 46 (2012) S. 52–53